Von der Saualpe in die Lindwurmstadt: Warum?

Gepostet von
21. August 2012

Das Künstler-Duo 1000& stellt vom 3. bis 18. September 2012  in der BV-Galerie in Klagenfurt aus und stellt die Frage: wARuM?

Das Künstler-Duo 1000& (sprich: tausendplus) lebt und arbeitet auf der Kärntner Saualpe, auf über 1000 Meter Seehöhe.

Allein die Anfahrt zum Wohnhaus/Atelier der beiden ist (zumindest ein kleines) Abenteuer, vorbei an almerischen Weiden und sich erschöpfenden Mountainbikern …
Ein Abenteuer ist es auch, sich einzulassen auf die Kunst, die Irmgard Siepmann und Martin F. Hahnl seit 1991 gemeinsam entwickeln und umsetzen.

1000&: Martin F. Hahnl und Irmgard Siepmann auf der Dachterrasse ihres Künstlerquartiers auf der Saualpe. über 1.000 Meter Seehöhe: Foto: 1000&/kultur-arbeiter.at

1000&: Martin F. Hahnl und Irmgard Siepmann auf der Dachterrasse ihres Künstlerquartiers auf der Saualpe. über 1.000 Meter Seehöhe: Foto: 1000&/kultur-arbeiter.at

Mit isi und maha signieren sie ihre Werke und so wollen wir sie auch hier nennen, denn eigentlich ist 1000& das gemeinsame Ich, der eine ohne den anderen nichts und daher der eine nicht vom anderen zu unterscheiden; und überhaupt sollen einst, wenn sie selber nicht mehr können, andere ihre Arbeit fortsetzen, die „Kunst der Auseinandersetzung“.

Ein Wort gibt das Andere

„Wir arbeiten von Anfang an immer mit Bild und Sprache. Ein Bild alleine ist für uns langweilig. Wir stimmen dem Abenteurer und Reiseschriftsteller Herbert Tichy zu, einem Zeitgenossen von Heinrich Harrer, der sinngemäß meinte, das Bild liefert die Erinnerung an vergessene Erlebnisse, der Text aber macht die ganze Geschichte erst wieder lebendig“, erklärt maha.

Die gemeinsame Arbeit nennt 1000& die „Kunst der Auseinandersetzung“, was zugleich die Arbeitsweise beschreibt. „Jede unserer Arbeiten beginnt mit einem verbalen Austausch, der sehr laut werden kann. Einer von uns schnappt einen Satz, einen Gedanken auf, der bei uns anschlägt, uns berührt, und schon sind wir inmitten der Auseinandersetzung“, schildert isi. „Wir lassen unsere verschiedenen Sichtweisen aufeinanderprallen und wundern uns immer wieder, wie sehr wir darin verstrickt sind.“ Und irgendwann, im Idealfall, entsteht daraus eine künstlerische Idee …

In der Ausarbeitung der Idee ist isi für die Sprache, maha für die „Aus-Bildung der Sprache“ zuständig. Das Ergebnis sind WortSkulpturen, MonoVisionen, Postkarten, Serigrafien etc., die durch ihre Mehrschichtigkeit und Komplexität den Betrachter eigentlich immer mehrdimensional fordern, auch wenn dieser ein Tafelbild vor sich hat. Die Arbeiten knüpfen an visuelle Erwartungen an, Sprach- und Bildinhalte werden immer wieder aufs Neue arrangiert. Um der heute üblichen Oberflächlichkeit entgegenzuwirken, will sich 1000& mit weitreichenden Spielvarianten des Werks ins Wahrnehmungsfeld des Betrachters einschleichen und einen zweiten, dritten Blick provozieren.

1000&: „Warum achten die uns schlachten“, LebensZeichen „achten“, 2004, mixed materials, 1000x1000mm, Privatbesitz Foto: 1000&

1000&: „Warum achten die uns schlachten“, LebensZeichen „achten“, 2004, mixed materials, 1000x1000mm, Privatbesitz
Foto: 1000&

Ein gesundes Empört euch!

Um sich auf die Arbeit von 1000& einzulassen, sollte man ein wenig die Genese des Duos kennen. maha studierte in Wien an der Wirtschafts-Uni, wo ihm schon recht bald klar wurde: „Das ist nicht mein Ding, Manager in welcher Form auch immer werde ich sicher nie. Damit eine qualifizierte Kritik der ökonomischen Denkweisen in unserem künstlerischen Werk später aber möglich werden konnte, bedurfte es permanenter Aufmerksamkeit in den oft enervierenden Vorlesungen.“

Als Student stieß maha auf den sardischen Maler Tonio Nateri (1930-2003), der gerade in Wien ausstellte: „Als Zweitsemestriger kaufte ich mir sogar um 3.500 Schilling eine Monotypie, weil ich ein Bild von ihm besitzen musste und suchte den Kontakt zu ihm. Anfangs nahm er mich gar nicht ernst, aber schließlich verbrachte er sieben Jahre hindurch jeweils drei Monate lang bei uns auf der Saualpe. Ich habe für ihn die Leinwände grundiert und bei Tonio quasi eine Lehre absolviert.“

1000&: Serigraphie „Rotwein“, Büttenpapier 395x575mm. Auflage: 99, April 2006; „Wir können morgen tot sein, wer trinkt dann unser'n Rotwein" Foto: 1000&

1000&: Serigraphie „Rotwein“, Büttenpapier 395x575mm. Auflage: 99, April 2006;
„Wir können morgen tot sein, wer trinkt dann unser’n Rotwein“
Foto: 1000&

„Er war der wichtigste Mensch für unser Kunstverständnis und unsere Kunst der Auseinandersetzung. Tonio hat uns herausgerissen aus der Ratio-Welt und uns den Blick geöffnet, dass man Fragen stellen kann, ja muss“, betont isi. Die gebürtige Fränkin ist 1978 von München nach Österreich gekommen und arbeitete 30 Jahre lang als Pharmareferentin – bis eines Tages „der Zeitpunkt der inneren Kündigung“ kam und sie nur mehr als „Industrieschauspielerin“ agierte. Geschrieben hatte sie schon als Jugendliche, die Wiederaufnahme des Schreibens folgte den Diskussionen mit dem sardischen Maler. Die Freundschaft zum „Kunst-Berserker“ (maha) endete allerdings abrupt. „Als ich begonnen habe, selbst auf der Leinwand zu experimentieren, kam Tonio zu mir her und wollte das Ganze übermalen, was ich aber nicht zuließ. Damit war ich sozusagen initiiert, er aber ist daraufhin nie wieder gekommen.“

isi: „Die ersten zehn Jahre unserer Beziehung haben wir bis zu acht Stunden am Tag geredet über die Welt und das Leben, um Erklärungen zu finden. Dabei haben wir gemerkt, dass wir uns nur über die Kunst ausdrücken können. Beide sind wir eher mäßig devotional veranlagt, weshalb wir zu den herrschenden Verhältnissen meist etwas zu sagen haben. Wir wollen ein gesundes Empört euch provozieren.“

Warum achten …

Das erste sichtbare Ergebnis der „Kunst der Auseinandersetzung“ auf 1000& mehr Metern, war schließlich die Wortskulptur „Warum achten die uns schlachten“. Die Grundidee des Bildes ist ein Amtstierstempel auf einer Schweinehälfte, mit amtlicher Nummer und erhabenem Text, wie die Stempel, die den Schlachttieren eingebrannt werden. Die Malerei rundherum in Rosa- bis Rot- und Blautöne entstand durch Zufälle und Experimentieren“, schildert maha die Entstehung des (unverkäuflichen) Schlüsselwerks.

1000&: „Warum achten die uns schlachten“, LebensZeichen „achten“, 2004, mixed materials, 1000x1000mm, Privatbesitz Foto: 1000&

1000&: „Warum achten die uns schlachten“, LebensZeichen „achten“, 2004, mixed materials, 1000x1000mm, Privatbesitz
Foto: 1000&

isi: „Uns geht es immer um gesellschaftspolitische Themen, die uns aufregen und die Frage aufwerfen: Warum? Muss das so sein?“ … Wie sehr Geld die Gesellschaft wie die Politik beherrscht, ist immer wiederkehrendes Motiv bei 1000&.

Das Wort Warum aus dem Schlüsselwerk von 1000&, verdeutlicht eine weitere Entwicklung, sozusagen vom Komplizierten zum Abstrakten, da schon ein einziges Wort reicht für die „Kunst der Auseinandersetzung“: „Im Wort Warum steckt Arm“, verweist maha auf die OneWordSculptures (EinWortSkulpturen), die seit zwei Jahren das Oeuvre der beiden bereichern.

9%11 – Warum?

Großen Raum bei 1000& nimmt das Thema 11. September – 9/11 – ein. Die künstlerische Ausprägung begann mit der „Stele 9%11“, die Weiterentwicklung ist der Zyklus „eXpedition 9%11“. maha: „Wir versuchen mit dieser Expedition die Ursachen zu thematisieren und stellen auch hier die zentralen Fragen: Warum? und Warum achten die uns schlachten?“

„9%11 – Ein Datum verändert die Welt, eine Zahl wird neu konnotiert: Die Zahlen 9 und 11 sind das zentrale und verbindende Element des Kunstprojekts. Denn in der Naturwissenschaft gilt ausschließlich der Glaube, nur das, was zahlenmäßig erfassbar ist, sei wichtig und beachtenswert. Diese Denkfigur ist integraler Bestandteil des Projekts. Das heißt: Wir unterwerfen uns dieser Zahl und spinnen daraus einen roten Faden.“ Die Künstler werden damit selbst zum Instrument des Zufalls.

Die Unterwerfung gilt 38 Bibel-/Koran-Versen – Kapitel 9, Vers 11. „Ausgehend von den 38 „heiligen“ Textstellen überlegen wir uns, wie man den Vers darstellen kann um quasi eine zeitgemäße Bildergeschichte daraus zu entwickeln,“ erklärt maha. Bildhaft gemacht wird diese Unterwerfung in 38 MonoVisionen, den „MonoVisions_9%11“, bestehend aus folgenden Elementen: Versangabe in der jeweiligen Landessprache eines von 38 Bergen mit exakt 911 Metern, die Schrift hinterlegt mit je einem anderen Geldschein, wissenschaftliches Bildmaterial eines NASA-Raumflugs, sowie ein Originalfoto oder eine Fotocollage, das die Bibelvers-Assoziation von 1000& abbildet.

Das Projekt ist ein globales und so auch das Ziel, ein Transparent der entsprechenden MonoVision auf einem von 38 exakt 911 Meter hohen Berg zu platzieren, weltweit: „38 Berge, die zugleich Mahnmal sind und Aufruf: nicht zu vergessen; wach zu bleiben; aufmerksam zu sein; die Zeichen zu lesen; Übersicht und Zuversicht zu gewinnen.“

In der Ausstellung „wARuM“ in der BV Galerie in Klagenfurt sind folgende Arbeiten zu sehen: Zyklus „Warum achten die uns schlachten“, eine Auswahl an MonoVisionen aus der „eXpedition_9%11“, diverse WortSkulpturen und EinWortSkulpturen.

Ausstellung:

Berufsvereinigung Bildender Künstler Österreichs, Landesverband Kärnten präsentiert:

1000& – wARuM

3. bis 18. September 2012, BV-Galerie, Feldkirchnerstraße 31, 9020 Klagenfurt

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 9 bis 19 Uhr

Tel/Fax: 0463/59 80  60, E-Mail: office@bv-kaernten.at; www.bv-kaernten.at

MIDIssage:

Dienstag, 11. 9., 19.11 Uhr (9/11/2012)

  • Moderation: Mag. Katharina Herzmansky
  • Dr. Heimo Strempfl (Musil Museum) über „One Word Sculptures“

Mehr Information. Werkauswahl etc.:

www.1000plus.org, www.eXpedition911.eu und natürlich auf der Homepage vom Kulturraum Klagenfurt.