Meran für Literatur- und Kulturliebhaber

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25. Mai 2016

„Blüht nicht zu früh, ach blüht erst, wenn ich komm…“, ruft der bekannte deutsche Dichter Gottfried Benn in seinem Gedicht „März“, das 1952 in Meran entstanden ist, Mandelbäumen und Forsythien zu. Auf seinen Spuren können heute Besucher durch die Stadt wandeln. Tipps für eine Auszeit in Südtirol.

In der schattigen Gilfschlucht, dem romantischen Einstieg zum Tappeinerweg, ruht man heute auf den typischen Parkbänken, auf denen Verse großer Lyrik eingebrannt sind. Vielleicht hat Benn hier seine Zeilen gefunden. An dem Ort, wo die wilde Passer ihr Gletscherwasser rauschend in ein ruhigeres Bett stürzt, stehen stolz Bank an Bank Zeilen unvergessener Dichter, die über die Jahre in Meran aufeinander getroffen sind. Mario Luzi, Ezra Pound, Rainer Maria Rilke, Edoardo Sanguineti, Maria Luisa Spaziani, Christian Morgenstern und eben Gottfried Benn sind nur einige der großen Dichter, die die Kulturstadt Meran 1997 mit dieser „Promenade der Poesie“ geehrt hat. Das literarische Projekt von Marco Nereo Rotelli erzählt von Meran als idealen Ort des Austauschs für Schriftsteller und Künstler aus Nord und Süd und zeugt von der intellektuellen Brückenfunktion der Kurstadt auch nach der glanzvollen Jahrhundertwende. Gleichzeitig dokumentiert die Initiative den Wunsch und das Bedürfnis der Stadt, in den späten 1990er Jahren an die kulturelle Offenheit und den kosmopolitischen Geist ihrer Glanzzeit anzuknüpfen. All zu viel war nämlich in den Jahren des touristischen Booms und wirtschaftlichen Aufbaus in Vergessenheit geraten.

Piero Bigongiari

Historisches

Nach dem Ersten Weltkrieg kommt Südtirol 1918 mit dem Vertrag von Saint Germain zu Italien. Meran, der einstige sonnige „Südbalkon“ des Habsburgerreiches, nimmt diesen politischen Wandel zur Kenntnis – und flaniert und floriert weiter. Auch in den 1920er und 1930er Jahren besuchen die vornehmen mitteleuropäischen Gäste weiterhin die Kurstadt und treffen jetzt auch auf die adeligen und großbürgerlichen Familien des Königreichs Italien, die Meran als nördlichsten Luftkurort des Reiches für sich entdecken. Der Austausch ist fruchtbar. Meran kommt zu neuem Glanz. In den 1930er Jahren gibt es von faschistischer Seite große Pläne für die Stadt. Im Zuge der Italianisierung soll die Stadt zu einem italienischen Vorzeigekurort auf höchstem Niveau werden. Der Mailänder Stararchitekt Paolo Vietti-Violi plant nach direkten Anweisungen von Benito Mussolini einen wunderbaren Pferderennplatz, der 1936 mit dem ersten „Großen Preis von Meran“ eingeweiht wird. Nach der Entdeckung radioaktiver Quellen in Meran, soll Vietti-Violi nun auch die größte Thermenanlage Europas entwerfen, diese jedoch wird ebenso wie die von Gio Ponti entworfene riesige Skischaukel zwischen Bozen, Gröden und Cortina d’Ampezzo nicht mehr gebaut. Der zweite große Krieg stoppt alle Pläne für die Stadt.

So schnell sich das sonnige Meran nach dem Ersten Weltkrieg erholt hatte, so lange sollte es diesmal dauern, bis die Stadt etwas von ihrem internationalen und kulturellen Flair wiedergewinnen würde. Die große politische Verunsicherung und das Gefühl des Identitätsverlustes, die Südtirol in den Kriegsjahren erlebt hatte, bringen nun eine Rückbesinnung auf bäuerliche Tradition und Volkstum mit sich. Die neuen Gäste suchen das ländliche Idyll und die Natur mehr als den mondänen Flair der Stadt. In den Dörfern der Umgebung schießen Hotels und Pensionen aus dem Boden. Der wirtschaftliche Aufschwung, der Bau der Brennerautobahn und der Beginn des Massentourismus besonders aus Deutschland veranlassen den Südtiroler Lyriker Norbert C. Kaser Meran in seinen „Stadtstichen“ noch in den 1970er Meran als „gutes bundesdeutsches altersheim“ und „rentnerin mit Magnolien geziert“ zu bezeichnen.

Mit der Rückkehr der politischen und wirtschaftlichen Sicherheit jedoch entwickelt sich in Meran wieder eine gewisse Kurstadtmentalität und die einst so enge Beziehung zur Kultur erlebt ein neues Erwachen. Das Stadttheater und das Kurhaus werden renoviert, Ausstellungen und Konzerte werden veranstaltet und ein Freies Theater, das „ Theater in der Altstadt“ findet in den Kellerräumen des ehrwürdigen Kurhauses seine Heimat.

Weitblickende Persönlichkeiten aus Kultur und Politik rufen zukunftstragende Veranstaltungen ins Leben. Die „Meraner Musikwochen“ sind genauso wie der „Lyrikpreis Meran“ inzwischen zu anerkannten Größen in Europa geworden und tragen ebenso wie die internationalen Ausstellungen zeitgenössischer Künstler bei „Kunst Meran“ dazu bei, Meran wieder zu einem bedeutenden Ort des geistigen Austauschs und der kulturellen Produktion zu machen.

Genau dieser Idee der lebendigen und kreativen Begegnung zwischen Vergangenheit und Gegenwart liegt auch der Initiative des Künstlers Arnold Mario Dall’O zugrunde, der in Zusammenarbeit mit der Kulturabteilung der Gemeinde Meran und „Kunst Meran“ das Kunstprojekt „Menschenbilder“ ins Leben gerufen hat. Internationale und lokale Bildhauer schaffen plastische Darstellungen von Persönlichkeiten, die bedeutsam für die Stadt und ihre Entwicklung waren. Die ersten drei Portraits, 2015 eingeweiht, sind der Tourismuspionierin Emma Hellenstainer (Stephan Balkenhol), dem Kurgast Franz Kafka (Urs Lüthi) und dem Dichter und Maler Antonio Manfredi (Aaron Demetz) gewidmet und haben ihren Bestimmungsort entlang der geschichtsträchtigen Passerpromenade gefunden.

Dieses Gleichgewicht zwischen Erinnerung und zeitgenössischer Konfrontation ist für das kulturelle Leben der Stadt heute genauso charakteristisch wie die kreative Auseinandersetzung zwischen italienischem und deutschsprachigem Kulturkreis. Meran ist die einzige Stadt Südtirols, die ebenso viele deutsch- wie italienischsprachige Einwohner zählt und das schlägt sich auch in der 1992 neu eröffneten Stadtbibliothek Meran wieder.

Das denkmalgeschützte Gebäude im Herzen der Stadt beherbergt auf 2 Stockwerken Texte sowohl aus dem italienischen, als auch aus dem deutschsprachigen Literaturkreis und ist mit vielen Dichterlesungen und Vorträgen zu einem wichtigen Ort des Dialogs und der intellektuellen Begegnung geworden.

Stadtbibliothek Meran

Entdeckungen von heute
In diesem Jahr stehen im Rahmen der fünften Auflage der Veranstaltungsreihe „Autoren in Meran“ u. a. Lesungen bedeutender Schriftsteller, wie dem Italo-Albaner Carmine Abate (04.07.2016), der Tschechin Radka Denemarkova (20.08.2016), den deutschen Krimiautoren Volker Klüpfel und Michael Kobr (05.08.2016) oder dem Schweizer Soziologen, Politiker und Autor Jean Ziegler (02.09.2016) auf dem Programm.

Über diese Tätigkeit der Literaturvermittlung hinaus kann die Stadtbibliothek Meran aber noch mit einem ganz besonderen Glanzstück aufwarten. Das Kinder-Künstlerbuch Archiv Ò.P.L.A. Meran ist eine wertvolle Sammlung von Kinder-Künstlerbüchern. Überzeugt vom wegweisenden und anregenden Wert der von Künstlern gestalteten Kinderbücher, stellt das Archiv seine Materialien jungen Betrachtern und Lesern zur Verfügung, um diese Arbeiten verstärkt ins Gespräch und zu seinem neugierigen Publikum zu bringen. Die geistige Verwandtschaft zwischen Künstlern, Designern, Bildhauern oder Regisseuren mit Kindern und Jugendlichen ist in diesen Texten und Zeichnungen sehr stark zu spüren und hat die Kraft, kostbare literarische Produkte z.B. aus Schwamm, Gummi, Pauspapier, ohne Text oder mit kartonierten Blättern hervorzubringen.

Das Bemühen auch die Jüngsten spielerisch für eine ästhetische und geistige Auseinandersetzung zu gewinnen zeichnet nicht nur die Stadtbibliothek Meran und Ò.P.L.A. aus, sondern schlägt sich in den meisten kulturellen Institutionen der Stadt nieder. Schloss Trauttmansdorff  beherbergt heute ein „vergnügliches“ Museum für Tourismusgeschichte, an dessen partizipativen und kinästhetisch ansprechenden Stationen Erwachsene und Kinder die Zeit vergessen.

Das ehemalige Ferienschloss von Kaiserin Sisi am südlichen Sonnenhang der Stadt liegt eingebettet in einem der schönsten Botanischen Gärten Europas. Mit der Eröffnung der inzwischen international ausgezeichneten „Gärten von Schloss Trauttmansdorff“ im Jahre 2001 schließt sich der Kreis. Das „Touriseum“ zeigt anschaulich und reflektiert gleichzeitig die bewegten 150 Jahre, die Meran zu dem gemacht haben, was die Stadt heute ist: eine offene Kultur- und Gartenstadt im Herzen Europas.

Stadtbibliothek Meran Kunst Meran: Öffentliche Freihandbibliothek im Haus der Sparkasse, Stadtzentrum und kultureller Veranstaltungsort, Wechselnde Ausstellungen zu zeitgenössischen Positionen der bildenden Kunst, Architektur, Musik, Fotografie und Neuen Medien

Der Große Preis von Meran Theater in der Altstadt, 26.09. – 27. 09.2016

Meraner Musikwochen und Lyrikpreis Meran – Südtirol Classic Festival Literaturpreis für deutschsprachige Lyrik der Stadt Meran 23.08. – 22.09.2016 05.05.-07.05. 2016

Touriseum Gärten von Schloss Trattmansdorff – Südtiroler Landesmuseum für Botanischer Garten, der sich über 12 Tourismus, Schloss Trauttmansdorff Hektar Fläche und einen Höhen-
unterschied von 100 Metern erstreckt. Geöffnet: 25.03. – 15.11.2016 Geöffnet: 25.03. – 15.11.2016

Fotos: Meran, Piero Bigongiari, Gigi_Sommese, Passer